Presseschau der Informationsstelle Lateinamerika

Die Suche nach interessanten Zeitungsartikeln über Lateinamerika hat sich für mich erstmal erledigt, nachdem ich die „Presseschau“ des „ila“-Vereins gefunden habe. Zumindest im deutschsprachigen Bereich. Hier gibt es jede Woche zig Hinweise auf Artikel, jeweils mit Titel, Datum und einem kurzen, erklärenden Kommentar. Und die Leute sind schnell: „heute“ ist erst 30 Minuten alt, und es sind schon 16 frische Artikel eingetragen. Alle Achtung!

„ila“ steht für „Informationsstelle Lateinamerika e.V.“, ein gemeinnütziger Verein aus Bonn, der seit fast 30 Jahren aktiv ist. Hier aus der Selbstbeschreibung:

Die ila ist ein unabhängiger, gemeinnütziger Verein, der sich überwiegend aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden finanziert. Hier arbeiten JournalistInnen, LehrerInnen, StudentInnen, WissenschaftlerInnen und ehemalige EntwicklungshelferInnen, die alle jeweils verschiedene lateinamerikanische Länder aus eigener Erfahrungen kennen.

Amtsantritt von Evo Morales in Bolivien

Evo Morales ist letzten Sonntag als Präsident von Bolivien angetreten. Einen Tag vorher wurde er im Tempel von Tiahuanacu zum Herrschers der indigenen Völker geweiht (der erste von 66 bolivianischen Staatschefs, dem diese Ehre zuteil wird). Von wem eigentlich? Laut NZZ wurde er bei diesem Auftritt von Priestern in Weiss begleitet. Die rund 20.000 Zuschauer waren Angehörige des Aymara-Volkes (zu dem auch Morales selber gehört) und Delegationen anderer Völker. Der Standard.at berichtet: „In den Ruinen des Kalasasaya-Tempels unterzog Morales sich einer rituellen Waschung und nahm einen Stab mit sieben Metallen und Edelsteinen entgegen, der die Macht der indigenen Völker symbolisiert.“ Das klingt ja irgendwie heidnisch – und die Zeremonie soll auch viele hundert Jahre alt sein.

Der Ort der Zeremonie, Tiahuanacu, liegt im Süden des Titicacasees. Das ist mit 3800 Metern Höhe der höchste schiffbare See der Welt und ist 13 mal größer als der Bodensee. In der Sprache der Aymara bedeutet Titi Puma und Caca Fels. Die beiden Anliegerstaaten, Peru und Bolivien, sollen sich immer noch darum streiten, wessen Hälfte nun die „Titi“-Seite ist und wer mit der „Caca“-Hälfte vorlieb nehmen muss ;-)

Evo Morales, Bolivien, Titicacasee, Aymara

Kölner Chaskis im Fernsehen

Kokakauender Inka-Bote (Chasqui)

Die Inkas hatten ein Faible für Treppen und verzichteten demgemäß auf den Gebrauch des Rades im Transportwesen. Stattdessen mussten Boten, die Chaski (oder auch Chasqui, was in Quechua, der Inka-Sprache, Bote heißt), regelmäßig tausende Kilometer durch das Inkareich rennen, um z.B. den Herrschern frischen Küstenfisch nach Cuzco (3400m hoch) zu bringen. Ein bisschen Kokakauen soll dabei auch geholfen (siehe Bild).

Auf ARTE läuft am Mittwoch, 25.1.2006, um 19:00 Uhr eine 45-minütige Dokumentation von Wolfgang Luck über diese Staffelläufe durch die Anden. Titel: Die Inka-Staffel – Auf dem Königsweg durch die Anden. Ein Team aus sieben Leuten der Sporthochschule Köln stürzt sich in das dreiwöchige Abenteuer, die alten Inkapfade abzulaufen.

In Chile geht es durch die trockenste Wüste der Welt, in Bolivien vorbei am Titicacasee und über die peruanischen Anden-Pässe Richtung Ecuador. Jeder Läufer bewältigt mindestens zwei Mal zehn Kilometer pro Tag, in einer Höhe bis zu 4.500 Meter über dem Meeresspiegel. In der sauerstoffarmen Luft der Anden wird jede Bewegung zur Strapaze. Ist es wirklich möglich unter solchen Bedingungen lange Strecken im Laufen zurückzulegen? Die Tour ist nicht nur ein großes Abenteuer, sondern dient auch wissenschaftlichen Zwecken. (Arte)

Joggen in 4500m Höhe kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Ich war einmal in Cuzco auf 3400m – und da musste ich mit dickem Schädel auf schnelle Bewegungen verzichten. Jede Anstrengung beantwortete der Körper mit Herzrasen. In nur drei Tagen konnte ich mich jedenfalls nicht daran gewöhnen.

Der Film ist vom Kölner „a&o buero“ realisiert worden:

Ein Film von Wolfgang Luck
Kamera: Christian Eichenauer
Schnitt: Karl-Heinz Satzger
Ton: Alexander Joksimovic
Mitarbeit: Marcel Kolvenbach
Musik: Hans Engel
Produktion: Robert Tasso Puetz
Redaktion: Andrea Ernst, Arte 

Das „Buero“ hat auch noch andere Dokumentationen im Programm.

Bin mal gespannt – ich erwarte eindrucksvolle Landschaftsaufnahmen und einen spannenden Bericht.

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Hintergrundinfo zur Wahl von Evo Morales im Deutschlandradio

Noch vor der Wahl brachte Deutschlandradio eine Sendung zur Wahl in Bolivien, die dann wie erwartet Evo Morales gewonnen hat. Ein Bericht, der den Hintergrund erklärt und Morales in einem positiven und hoffnungsvollen Licht darstellt.

Rund zwei Drittel der bolivianischen Bevölkerung sind Eingeborene: Aymara, Quechua, Gurani. Die meisten leben in bitterer Armut und fühlen sich von der Elite der Weißen und Mestizen unterdrückt und ausgebeutet. […] Obwohl Bolivien über reiche Ergas- und Ölvorräte verfügt, gilt das Land als Armenhaus Südamerikas. Dabei folgt der Staat – wie die meisten lateinamerikanischen Länder – seit den achtziger Jahren dem neoliberalen Wirtschaftsmodell Washingtons. Die Schlüsselindustrien und Infrastrukturbetriebe wurden privatisiert, die Märkte geöffnet. Die staatliche Ölindustrie ging in die Hände ausländischer Großkonzerne.

Deutschlandradio stellt seine Sendungen auch als MP3-Files zur Verfügung, so auch diese Sendung über Bolivien (mp3). Der oben zitierte Artikel ist die vollständige Abschrift der Sendung.

Das Radioprogramm des Deutschlandradio ist auch umfangreich als Podcasts organisiert, einzelne Programmsparten können dabei einzeln abonniert werden. Das ist sehr praktisch, wenn man einen MP3-Player oder einen iPod hat. Die ARD hat auch noch weitere Podcast-Angebote, meist von den dritten Programme. Ich hätte jetzt gerne einen Podcast, der mir alle ARD-Sendungen liefert, nur gefiltert nach bestimmten, von mir bestimmten Stichworten. Das ist technisch ja kein Problem und kommt sicher bald (freue mich schon darauf).

Material

Deutschlandfunk – Hintergrund Politik – Die Indios vor der Machtübernahme?

Podcasts aller ARD-Sender

Podcasts des WDR Radio

Podcasts des Deutschlandradio

Radio, Deutschlandradio, ARD, WDR, Politik, Wahl, Podcast

FAZ.NET: Länder am Rande der Anarchie

Ein Artikel aus der FAZ.NET vom 22. Dezember 2005 räumt mit dem Begriff der „linken“ Politik in Lateinamerika auf und analysiert die politische Lage in Lateinamerika: Leitartikel: Lebendiges Museum – FAZ.NET – Politik

Eine zutreffende Charakterisierung Lateinamerikas lautet, der Subkontinent sei ein „lebendiges Museum“. Seit fünfhundert Jahren existieren Sozial- und Wirtschaftsformen, deren Wurzeln bis in die Zeit vor der Entdeckung reichen, neben „modernen“ Ideologien, die von einem Extrem in das andere wechseln. Auch die meisten Staatswesen muten wie lebendige Museen an. Ihre meist schwachen Institutionen und die allgegenwärtigen Patronage- und Klientelbeziehungen vermitteln den Eindruck, als lebe der Kontinent geistig im 17. oder im 19. Jahrhundert. Wirtschaftlich ist er indes dank seines Reichtums an Energieträgern und Rohstoffen ein wichtiger geoökonomischer Faktor im 21. Jahrhundert. Diese Ungleichzeitigkeit ist nicht skurril, sondern gefährlich – auch für Europa.

Der Autor Daniel Deckers geht besonders ein auf

Lateinamerika sei keine Projektionsfläche für Sozialromantik. Einige Länder Lateinamerikas stünden am Rande der Anarchie und der Unregierbarkeit.

Politik, Wirtschaft

Bolivien wählt Koka

Der sozialistische Politiker Juan Evo Morales Ayma von der Partei „Movimiento al Socialismo“ (MAS) wird der neue bolivianische Präsident (Yahoo). Nach Auszählung des größten Teils der Stimmen der Wahl vom 18.12.2005 liegt er bei 54,1%. Somit ist keine Stichwahl nötig. Der Mann wird der erste Präsident, der von den Ureinwohnern abstammt, die im Lande die Mehrheit bilden.

Politisch könnte es mit den USA Ärger geben, denn Morales will den Koka-Anbau ausbauen. Viele Indios leben vom Koka-Anbau, auch Morales selber war Koka-Bauer, und Koka-Blätter sind ein traditionelles Genuß- und Heilmittel in den Anden. Dummerweise sind sie auch der Grundstoff zur Herstellung von Kokain, wovon in Bolivien letztes Jahr 118 Tonnen produziert sind, Tendenz steigend (Quelle: Weltdrogenbericht der Vereinten Nationen, nach Yahoo). Demnach ist Bolivien nach Kolumbien und Peru auf Platz drei der Kokainproduzenten weltweit. Natürlich soll der Anbau nur ausgeweitet werden, um den traditionellen, „guten“ Einsatz von Koka zu gewährleisten. Wenn man für Kokain Dollar bekommt, bleiben bestimmt für den Tee nicht mehr soviel Kokablätter übrig, daher muss man eben mehr produzieren. Ist doch logisch, oder?

Abgesehen vom Koka ist Morales ein Sozialist und will z.B. die Gasvorkommen verstaatlichen. Damit reiht er sich in die Riege der linken Präsidenten von südamerikanischen Ländern ein: Kuba, Venezuela, Argentinien, Brasilien und Uruguay. In der Terroristenszene kennt er sich überhaupt nicht gut aus, denn der einzige Terrorist der Welt den er kenne, sei Bush (Quelle: Stern.de). Der Angriff der USA auf den Irak sei „Staatsterrorismus“ – die Vokabel kennen wir ja auch schon von Harold Pinter.

Mehr zur Wahl 2005 in Bolivien

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