Lateinamerika in den News bis KW 06/2006

Hier einige recht interessante Artikel verschiedener Medien aus der letzten Zeit:

  • Florian Rötzer: Pipeline für Südamerika. Telepolis, 21.01.2006.
    Ãœber den Beschuß, eine Gaspipeline in einer Länge von bis zu 10.000 Kilometern von Venezuela nach Brasilien und Argentinien zu bauen (um den Mercosur-Gegner Kolumbien herum). Zitat: „Das Treffen am vergangenen Donnerstag zwischen den linken Präsidenten Lula da Silva (Brasilien), Nestor Kirchner (Argentinien) und Hugo Chavez (Venezuela) in Brasilien markiert einen weiteren Schritt zur engeren Verflechtung auf dem lateinamerikanischen Kontinent. […] Der Aufbau einer gemeinsamen Infrastruktur gilt den drei Präsidenten als wichtiger Schritt. Chavez versucht, mit den Öl- und Gasvorkommen Venezuelas die von ihm gewünschte Integration Lateinamerikas unter dem Zeichen der „bolivarianische Revolution“ voranzutreiben.“
  • Britta Scholtys: Südamerika drängt nach links. SWR.de, 22.01.2006.
    Ãœber den Aufwind der südamerikanischen Linken gegen den Wirtschaftsliberalismus. Am Beispiel Argentinien, Mercosur und Chavez’s ALBA-Projekt. Zitat: „Ob Latein- oder zumindest Südamerika auf dem Weg ist, eine Art „dritten Weg“ einzuschlagen, ist noch nicht sicher. Sicher aber ist, dass eine neue Politik gesucht wird, die sozial, armutsbekämpfend, umverteilend und menschenrechtsorientiert ist.“
  • Peru and Brazil inaugurated the new Integration Bridge. Mercopress.com, 22.1.2006.
    Ãœber die Eröffnung einer Brücke zwischen Peru und Brasilien durch die Präsidenten Toledo und Lula, die eine Handelsroute zwischen den Ozenanen öffnet. Toledo dazu: „the bridge may be built of iron and cement, but inside it are the heart and soul of our zeal for South American integration.“
  • Mary Milliken: Smiling and single, woman leads Peru president race. Washington Post, 8.2.2006
    Ãœber die peruanische Präsidentschaftskandidatin Lourdes Flores Nano. Zitat: „Flores has never married and has no children but she nurtures voters like a mother. With a permanent big-toothed smile on her face, she caresses the windburned faces of indigenous children, dances with teenagers and tells mothers to take care of their health.“

Perus Pisco Sour Tag und das Ende des Luftkampfes gegen Chile

So wie es in Düsseldorf die Altbiertage gibt, so begeht man in Peru den día del pisco sour, den „Pisco Sour“-Tag. Zuletzt am vergangenen Samstag, wie der El Comercio berichtet. Pisco ist eine Art Brandwein, ein Destillat aus Traubenmost. Dabei werden Trauben der Sorte Quebranta oder seltener auch Negra Corriente und Mollar eingesetzt. Pisco Sour ist ein Cocktail aus 5 cl Pisco, 3 cl Zitronensaft, 1.5 cl Zuckersirup und 1/4 Eiweiß. Das ganze wird mit ein paar Eiswürfeln kurz und kräftig geschüttelt und in ein Sour-Glas abgeseiht.

Pisco ist ein nationales Kulturgut von Peru und in dieser Eigenschaft auch einer der Gegenstände des köchelnden Kulturkampfes zwischen Chile und Peru: Chile produziert ebenfalls ein Getränk namens Pisco (und zwar in rauhen Mengen, 46 mal mehr als Peru), aber Peru macht natürlich den einzig wahren Pisco. In Peru gibt es immerhin ein Tal, ein Fluss, eine Provinz und eine Stadt, die Pisco heißen – in Chile nur ein Dorf. Im Streit um den Markennamen Pisco will Peru sogar die WTO anrufen und im Rahmen des Handelsabkommens GATT die Marke Pisco zugesprochen bekommen. Motivation sind also anscheinend nicht nur der Nationalstolz, sondern auch die Außenhandelsinteressen. Auch wissenschaftlich wird der Zank begleitet, und zwar als „Fall Pisco“ durch die Trade Environment Database der American University. Die Wissenschaftler stehen deutlich auf Perus Seite und lassen z.B. folgende Stimmen zu Wort kommen:

According to Godofredo Gonzalez del Valle, whose family has been making pisco for four generations, it is all in the stomp. „To make real pisco, you have to take your shoes off, crush the grapes and let it ferment in clay bottles. In Chile they make something called pisco, but it doesn’t taste as it should.“ Chilean pisco is sweeter and slightly weaker that Peruvian pisco. „Only Peru has the soil, the climate, and the tradition in making pisco that give(s) our drink a special taste, and which allow(s) us to call it pisco“, according to Jaime Alvarez Calderon who is in charge of Peru’s multilateral economic negotiations office.“

Der Kulturkampf der beiden Länder ist aber noch viel unterhaltsamer. Andere Streitgegenstände z.B. sind die Grenzfische und das Ceviche – wir haben bereits darüber berichtet. Die jüngste Geschichte wurde erst kürzlich gütlich beigelegt: Chiles Fluggesellschaft LAN zahle ein „Schmerzensgeld“ von 1.000.000 Dollar an Peru, um folgende Dreistigkeit wiedergutzumachen, wie die Frankfurter Rundschau online berichtet: Auf Flügen nach Lima zeigte die LAN statt appetitlicher Touristenattraktionen Limas ein weniger freundliches Bild der Stadt in Form eines Filmes im Bordkino:

Abwasserkanäle, die mit Müllbergen zugeschüttet sind, Trauben von Kindern, die sich an überfüllte Busse klammern, Straßen, die mit Schmutz übersäht sind, Garküchen, die unter unhygienischen Bedingungen arbeiten, und schließlich ein Mann, der in aller Öffentlichkeit uriniert.

Nachdem in Peru deswegen die Wellen hochschlugen, Tausende demonstrierten, der peruanische Kongress deswegen tagte und die UNESCO eingeschaltetet wurde, gab Chile klein bei. Peru konnte neben der Millionen gar noch mehr Reparationen ausgehandeln. Wie die FR berichtet, muss LAN in Zukunft

  • neue Peru-Videos von der staatliche Tourismusbehörde Perus absegnen lassen,
  • monatlich 300 Kilo Propaganda-Material der peruanischen Tourismusförderung gratis transportieren und
  • die Ausbildungskosten von zehn Peruanern übernehmen, die Piloten werden wollen.

Das peruanische Außenministerium erklärte den Fall damit für beigelegt.

Die Chilenische Botschaft in Washington schreibt mit leichten Seitenhieben auf Peru über den Fall: „Peruvians love to tell visitors what’s wrong with their country. Of course, if others find fault, it’s a different story – particularly if they come from Chile, Peru’s rival to the south.“

Peru, Chile, LAN, Pisco, Cocktail, Brandwein, Kulturkampf

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Kölner Chaskis im Fernsehen

Kokakauender Inka-Bote (Chasqui)

Die Inkas hatten ein Faible für Treppen und verzichteten demgemäß auf den Gebrauch des Rades im Transportwesen. Stattdessen mussten Boten, die Chaski (oder auch Chasqui, was in Quechua, der Inka-Sprache, Bote heißt), regelmäßig tausende Kilometer durch das Inkareich rennen, um z.B. den Herrschern frischen Küstenfisch nach Cuzco (3400m hoch) zu bringen. Ein bisschen Kokakauen soll dabei auch geholfen (siehe Bild).

Auf ARTE läuft am Mittwoch, 25.1.2006, um 19:00 Uhr eine 45-minütige Dokumentation von Wolfgang Luck über diese Staffelläufe durch die Anden. Titel: Die Inka-Staffel – Auf dem Königsweg durch die Anden. Ein Team aus sieben Leuten der Sporthochschule Köln stürzt sich in das dreiwöchige Abenteuer, die alten Inkapfade abzulaufen.

In Chile geht es durch die trockenste Wüste der Welt, in Bolivien vorbei am Titicacasee und über die peruanischen Anden-Pässe Richtung Ecuador. Jeder Läufer bewältigt mindestens zwei Mal zehn Kilometer pro Tag, in einer Höhe bis zu 4.500 Meter über dem Meeresspiegel. In der sauerstoffarmen Luft der Anden wird jede Bewegung zur Strapaze. Ist es wirklich möglich unter solchen Bedingungen lange Strecken im Laufen zurückzulegen? Die Tour ist nicht nur ein großes Abenteuer, sondern dient auch wissenschaftlichen Zwecken. (Arte)

Joggen in 4500m Höhe kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Ich war einmal in Cuzco auf 3400m – und da musste ich mit dickem Schädel auf schnelle Bewegungen verzichten. Jede Anstrengung beantwortete der Körper mit Herzrasen. In nur drei Tagen konnte ich mich jedenfalls nicht daran gewöhnen.

Der Film ist vom Kölner „a&o buero“ realisiert worden:

Ein Film von Wolfgang Luck
Kamera: Christian Eichenauer
Schnitt: Karl-Heinz Satzger
Ton: Alexander Joksimovic
Mitarbeit: Marcel Kolvenbach
Musik: Hans Engel
Produktion: Robert Tasso Puetz
Redaktion: Andrea Ernst, Arte 

Das „Buero“ hat auch noch andere Dokumentationen im Programm.

Bin mal gespannt – ich erwarte eindrucksvolle Landschaftsaufnahmen und einen spannenden Bericht.

Inka, Chasqui, Jogging, Sport, Fernsehen, Arte, Köln, Peru, Chile, Equador, Bolivien

Frauen an die Macht in Chile (und Peru?)

Nachdem Frau Angela Merkel es schon letztes Jahr geschafft hat, Deuschland zu „übernehmen“, erobern die Frauen jetzt auch Lateinamerika. Dieses Jahr geht es los mit Michelle Bachelet, die soeben Präsidentin Chiles geworden ist. In einer Stichwahl erhielt die sozialistische Kinderärztin 53,5 Prozent aller Stimmen der 8.2 Millionen wahlberechtigten Chilenen.

Wikipedia schreibt zu Frau Michelle Bachelet:

Sie ist die Tochter des Luftwaffengenerals Alberto Bachelet, der beim Putsch 1973 Präsident Salvador Allende loyal geblieben war und im folgenden Jahr vom Pinochet-Regime zu Tode gefoltert wurde. Nachdem auch Michelle und ihre Mutter entführt und gefoltert wurden, flohen beide über Australien in die DDR. […] In Leipzig begann sie ihr Germanistik- und Medizinstudium. Letzteres führte sie an der Humboldt-Universität zu Berlin fort.

Nach Pinochet machte sie politisch Karriere und wurde 2000 unter Präsident Lagos Gesundheitsministerin ernannt, 2002 dann als erste Frau Verteidigungsministerin. Ab 11. März will sie nun 4 Jahre lang als Präsidentin versuchen, den Armen mehr Einkommen zu verschaffen. Viel Erfolg dabei!

Auch in Peru hat die Frau Lourdes Flores noch gute Chancen im April zur Präsidentin des Landes gewählt zu werden. Nach neusten Umfagen des El Comercio, der führenden Zeitung aus Lima, läge sie zwar in der ersten Wahlrunde 3% hinter den 28% von Ollanta Humala, würde aber in der Stichwahl deutlich vorne liegen.

Als frisch verheirateter Ehemann verkneife ich mir an dieser Stelle generelle Bewertungen zu Frauen in Führungspositionen.

Chile

FAZ.NET: Länder am Rande der Anarchie

Ein Artikel aus der FAZ.NET vom 22. Dezember 2005 räumt mit dem Begriff der „linken“ Politik in Lateinamerika auf und analysiert die politische Lage in Lateinamerika: Leitartikel: Lebendiges Museum – FAZ.NET – Politik

Eine zutreffende Charakterisierung Lateinamerikas lautet, der Subkontinent sei ein „lebendiges Museum“. Seit fünfhundert Jahren existieren Sozial- und Wirtschaftsformen, deren Wurzeln bis in die Zeit vor der Entdeckung reichen, neben „modernen“ Ideologien, die von einem Extrem in das andere wechseln. Auch die meisten Staatswesen muten wie lebendige Museen an. Ihre meist schwachen Institutionen und die allgegenwärtigen Patronage- und Klientelbeziehungen vermitteln den Eindruck, als lebe der Kontinent geistig im 17. oder im 19. Jahrhundert. Wirtschaftlich ist er indes dank seines Reichtums an Energieträgern und Rohstoffen ein wichtiger geoökonomischer Faktor im 21. Jahrhundert. Diese Ungleichzeitigkeit ist nicht skurril, sondern gefährlich – auch für Europa.

Der Autor Daniel Deckers geht besonders ein auf

Lateinamerika sei keine Projektionsfläche für Sozialromantik. Einige Länder Lateinamerikas stünden am Rande der Anarchie und der Unregierbarkeit.

Politik, Wirtschaft

Rezept: Peruanisches Ceviche

Eine klassische Sonntagsvorspeise in Peru ist Ceviche, das im Wesentlichen aus rohem Fisch in Limettensaft besteht. Weißer Meeresfisch wird mundgerecht gewürfelt und in Limettensaft mariniert. Dazu kommen dünne Zwiebelstreifen und Würfelchen aus Rocoto, eine scharfe Chilisorte, die aussieht wie kleine, rote Paprika. Ceviche wird sehr scharf gegessen. Serviert wird mit einem Stück Camote, eine braun-orange, süße Kartoffel, und Choclo, also Maiskolben. Ein Blatt Eisbergsalat als Dekoration. Ceviche wird übrigens auch schon mal Seviche oder Cebiche geschrieben.

Der Fisch dazu kommt aus dem Meer vor der Küste Perus, nicht zuletzt aus dem Teil, um den sich Peru und Chile immer noch streiten. Der Streit wird gerade von patriotischen Hackern aufgegriffen, die nun nicht nur um die Fischgründe, sondern auch noch um die Herkunft des Ceviche streiten, und entsprechende Parolen in gehackte Behördenwebseiten des jeweils anderen Landes schreiben. Irgendwie lustig – man stelle sich vor, deutsche Hacker verzieren die Webseite der Academie Francaise mit Pommes-Fritz-Parolen.

Material

Nachrichten aus Peru und Chile: Fische und Fujimori

In der Neuen Züricher Zeitung ist ein Artikel erschienen, der die Hintergründe der aktuellen Ereignisse in Peru sehr interessant beleuchtet. Peru hat einen Streit um die Seegrenze zwischen Peru und Chile angezettelt, in dem es per Gesetz sein Hoheitsgebiet um 38000 Quadratkilometer nach Süden ausdehnt. Präsident Alejandro Toledo zeigt sich womöglich außenpolitisch hart, damit er innenpolitisch zur nächsten Wahl an Stärke gewinnt. Nun ändert sich wohl bei einigen Millionen Fische die Staatszugehörigkeit.

Zum Hintergrund schreibt die NZZ: „Politiker beider Länder haben es mit solchen und ähnlichen Zänkereien immer wieder geschafft, die historischen nationalen Rivalitäten aufleben zu lassen. Diese gehen vor allem zurück auf den pazifischen Krieg (1879-84). Damals war im Zuge des Wettlaufs nach dem in Bolivien, Ecuador und Chile vorkommenden Salpeter, dem Grundstoff für Dünger und Sprengstoff, ein Krieg entbrannt, als dessen Sieger Chile hervorging; Peru musste nicht nur die Schmach einer Belagerung der Hauptstadt durch die Chilenen ertragen, sondern auch weite Gebiete abtreten.“

Zufällig wurde just in diesen Tagen der von Peru polizeilich gesuchte Ex-Präsident Alberto Fujimori in Chile verhaftet (Süddeutsche Zeitung: „groteske Fujimori-Nummer“). Fujimori wollte wohl vom für ihn vermeintlich sicheren Chile aus seine Beteiligung an der Wahl in Peru im April 2006 vorbereiten. In Peru sind noch 20 Prozesse wegen Mord, Entführung, Korruption u.a. gegen ihn anhängig. In einem Korruptionsfall wurde er kürzlich wegen Mangel an Beweisen freigesprochen. Salomón Lerner Febres, Präsident der peruanischen Wahrheitskommission, äußert in der Welt, dass Fujimori bei seiner Flucht 2000 kofferweise belastendes Material mit nach Japan genommen habe. Nun gebe es in Peru einflußreiche Kreise, die kein Interesse an einer Auslieferung Fujimoris hätten.

Fakten dazu:

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