Hintergründe des Säbelrasselns in Lateinamerika

Ein leicht lesbarer Artikel von Peter Burghardt zum kürzlichen Säbelrasseln in Lateinamerika steht in jetzt.de, dem Online-Magazin der Süddeutschen Zeitung. Der „kalte Krieg“ gehe dort in eine neue Runde. „Die Feldherren sind Kolumbiens rechtskonservativer Präsident Ã?lvaro Uribe, engster Verbündeter der USA südlich des Rio Grande, und Venezuelas Präsident Hugo Chávez, Wortführer einer linksnationalistischen Bewegung, sowie der Neusozialist Rafael Correa aus Ecuador und Altsozialist Daniel Ortega aus Nicaragua.“ Kolumbien hatte am 1.3.2008 Terroristen der FARC außerhalb seiner Landesgrenzen, in Ecuador, bombardiert und damit Truppenbewegungen in Ecuador und Venezuela ausgelöst. Einen Tag nach dem Erscheinungsdatum, am 8.3.2008, hat sich die Lage wieder beruhigt (siehe Spiegel.de: Südamerikas Scharfmacher schließen Spontanfrieden), aber der jetzt.de-Artikel ist trotzdem noch lesenswert, weil er die Hintergründe ohne Geschwafel erklärt. Nebenbei liefert der Artikel auch noch einen Neuzugang für meine inoffizielle Liste mit Chávez-Titulierungen durch die Medien: „Nervensäge“.

Shakira: 45 Millionen US-Dollar für Erdbebenopfer in Peru

Die attraktive Schlagzeile „Shakira spendet 45 Millionen US-Dollar für Erdbebenopfer in Peru“ erregte heute meine Aufmerksamkeit – „Sex sells“ macht eben auch vor wohltätigen Zwecken nicht halt. Grund genug sich mal genauer mit dieser Meldung zu befassen. Shakira spendet die 45 Millionen US$ nicht aus ihrem Privatvermögen, sondern kündigte sie im Namen der ALAS Foundation (America Latina en Accion Solidaria – „Latin America for Solidarity“) an. Diese Stiftung wurde am 12.12.2006 von eine Anzahl lateinamerikanischer und spanischer Stars (Sänger, Schriftsteller) in Panama gegründet – mit dem Ziel, Kindern in Lateinamerika zu besserer Gesundheit und Erziehung zu verhelfen. ALAS „hilft den Helfern“, das heißt, die Stiftung gibt das Geld nicht selber aus, sondern unterstützt die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften.

Ein ausführlicher Artikel über ALAS ist im Magazin „hispaniconline.com“ zu lesen: The power of PHILANTHROPY. Demnach hat Shakira, die sich schon länger für die Armen in Lateinamerika stark macht, diese Idee ursprünglich mit Alejandro Sanz und Miguel Bosé ausgeheckt und in ihren Kreisen und darüber hinaus verbreitet. Heute ist der Sänger Miguel Bosé (Homepage) Präsident des „Aktivisten-Rates“, der ehemalige spanische Ministerpräsident Felipe González ist Präsident des Beirates und Ehrenpräsident der Stiftung ist Literaturnobelpreisträger Gabriel García Márquez. Die Aktivisten sind zur Zeit folgende großen und kleineren Berühmtheiten:

Adrian Dárgelos (Babasónicos), Alejandro Fernández, Alejandro Sanz, Alex González (Maná), Aleks Syntek, Benny Ibarra, Beto Cuevas (La Ley), Carlos Vives, Catupecumachu, Chayanne, Daddy Yankee, Daniela Mercury, David Bisbal, Danilo Pérez, Diego Torres, Diego Uma (Babasónicos), Don Omar, Emmanuel, Enanitos Verdes, Fher Olvera (Maná), Fidel Nadal, Fonseca, Gianmarco, Gilberto Santa Rosa, Gustavo Cerati, Jeremias, Jennifer López, Joan Sebastian, Jorge Drexler, Jorge Celedón, Juanes, Juan Luis Guerra, Julián Weich, Julieta Venegas, Kumbia All Stars, Los Tigres Del Norte, Lucero, Luis Alberto Spinetta, Malu, Marc Anthony, Miguel Bosé, Omar Alfanno, Os Paralamas, Paulina Rubio, Pedro Suárez Vertiz, Pepe Alva, Raphael, Reyli, Ricardo Arjona, Ricardo Montaner, Ricky Martin, Rubén Blades, Shakira, Thalia, Timbiriche, Tania Libertad, Tito El Bambino, Wyclef Jean. (Die mir bekanntesten habe ich fett markiert.)

Nach dem Erdbeben in Peru haben einige der Aktivisten für die Stiftung ein Spendenaufruf-Video produziert, das als Spot in Lateinamerika, USA und Spanien im TV gelaufen ist. Anscheinend hat das gut funktioniert, denn ich nehme an, ein Großteil der 45 Millionen dürfte daraufhin gesammelt worden sein. Eine tolle Aktion!

Das Geld kommt übrigens nicht nur den Menschen in Peru zu Gute, sondern auch den Opfern des Hurricans Felix in Nicaragua. 5 Millionen der 45 sind außerdem für ein mehrjähriges Bildungsprojekt vorgesehen.

Lateinamerika auf der Weltrangliste der Korruption

„Korruption hält Millionen von Menschen in der Armutsfalle gefangen.“ So äußert sich Huguette Labelle, die Vorsitzende von Transparency International. Transparency International, kurz TI, ist eine nichtstaatliche Organisation, die sich international gegen Korruption engagiert. Am 6. November hat TI den jährlich erscheinenden Corruption Perceptions Index 2006 veröffentlicht. Dieser „Korruptionswahrnehmungsindex“ basiert auf Expertenumfragen zur Wahrnehmung von Korruption im öffentlichen Sektor. Die Studie fasst die Ergebnisse von Untersuchungen aus folgenden 12 verschiedenen Quellen zusammen:

Heraus kommt für jedes Land ein Wert zwischen 0 („sehr korrupt“) und 10 („kaum korrupt“). Deutschland liegt mit immerhin 8.0 Punkten auf Platz 16 der Tabelle. Die Länder Lateinamerikas schneiden meist deutlich schlechter ab – der Zusammenhang zwischen Armut und Korruption wird durch die Studie deutlich nachgewiesen. Hier die Rangfolge der lateinamerikanischen Staaten:

  • Chile: Index 7,3, Rang 20
  • Barbados: Index 6,7, Rang 24
  • Uruguay: Index 6,4, Rang 28
  • Dominica: Index 4,5, Rang 53
  • Costa Rica: Index 4,1, Rang 55
  • El Salvador: Index 4,0, Rang 57
  • Kolumbien: Index 3,9, Rang 59
  • Jamaika: Index 3,7, Rang 61
  • Belize: Index 3,5, Rang 66
  • Grenada: Index 3,5, Rang 66
  • Kuba: Index 3,5, Rang 66
  • Brasilien: Index 3,3, Rang 70
  • Mexiko: Index 3,3, Rang 70
  • Peru: Index 3,3, Rang 70
  • Trinidad und Tobago: Index 3,2, Rang 79
  • Panama: Index 3,1, Rang 84
  • Argentinien: Index 2,9, Rang 93
  • Dominikanische Republik: Index 2,8, Rang 99
  • Bolivien: Index 2,7, Rang 105
  • Guatemala: Index 2,6, Rang 111
  • Nicaragua: Index 2,6, Rang 111
  • Paraguay: Index 2,6, Rang 111
  • Guyana: Index 2,5, Rang 121
  • Honduras: Index 2,5, Rang 121
  • Ecuador: Index 2,3, Rang 138
  • Venezuela: Index 2,3, Rang 138
  • Haiti: Index 1,8, Rang 163

(Weitere Länder Lateinamerikas sind von der nicht erfasst – nur Länder, die in mindestens 3 der 12 Quellen vorkommen, wurden aufgenommen.)

Zum Vergleich: Chile liegt auf Augenhöhe mit den USA (7,3, Platz 20), Barbados und Uruguay liegen knapp vor bzw. hinter Spanien (6,8, Platz 23) und Portugal (6,6, Platz 26). Und danach wird es auch schon finster, bis es am absoluten Tiefpunkt mit Haiti endet (Platz 163 von 163).

Zu der miesen Position von Haiti wurde die Leute von TI anscheinen sehr oft gefragt. So oft, dass sie in ihren „FAQ“ (frequently asked questions) die Bevölkerung von Haiti in Schutz nehmen:

„Korruption ist unbestritten eine der größten Herausforderungen für die Good Goverance-Strukturen, die Entwicklung des Landes und die Armutsreduzierung in Haiti. Doch die Mehrheit der Menschen ist in erster Linie Opfer von Korruption. Korruption, begangen von einer Minderheit einflussreicher Persönlichkeiten und begünstigt durch die Fehler von politischen Führern und Institutionen bei der Kontrolle und Bekämpfung von Korruption, bedeutet nicht, dass ein Land oder seine Bevölkerung am korruptesten sind.“

Es wird interessant sein, die Veränderungen auf der Rangliste über die Jahre zu verfolgen.

Mehr:

Presseschau der Informationsstelle Lateinamerika

Die Suche nach interessanten Zeitungsartikeln über Lateinamerika hat sich für mich erstmal erledigt, nachdem ich die „Presseschau“ des „ila“-Vereins gefunden habe. Zumindest im deutschsprachigen Bereich. Hier gibt es jede Woche zig Hinweise auf Artikel, jeweils mit Titel, Datum und einem kurzen, erklärenden Kommentar. Und die Leute sind schnell: „heute“ ist erst 30 Minuten alt, und es sind schon 16 frische Artikel eingetragen. Alle Achtung!

„ila“ steht für „Informationsstelle Lateinamerika e.V.“, ein gemeinnütziger Verein aus Bonn, der seit fast 30 Jahren aktiv ist. Hier aus der Selbstbeschreibung:

Die ila ist ein unabhängiger, gemeinnütziger Verein, der sich überwiegend aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden finanziert. Hier arbeiten JournalistInnen, LehrerInnen, StudentInnen, WissenschaftlerInnen und ehemalige EntwicklungshelferInnen, die alle jeweils verschiedene lateinamerikanische Länder aus eigener Erfahrungen kennen.

Der Staatsterrorismus der USA nach Harold Pinter

„Es gibt keine klaren Unterschiede zwischen dem, was wirklich und dem was unwirklich ist, genauso wenig wie zwischen dem, was wahr und dem was unwahr ist. Etwas ist nicht unbedingt entweder wahr oder unwahr; es kann beides sein, wahr und unwahr.“

So beginnt der Harold Pinter seine Rede zum Literaturnobelpreis, den er gerade verliehen bekommt. Die Rede des britische Dramatikers wurde heute auf der Webseite der Schwedischen Akademie veröffentlicht.

Im weiteren Verlauf geht es in der Rede nicht mehr so wischi-waschi-philosophisch weiter, sondern Pinter kommt so richtig zur Sache. Hier ein paar Schlüsselwörter: „infam, unbarmherzig, Banditenakt, Staatsterrorismus, brutale Unterjochung, systematische Verbrechen, bösartige Wucherung, Faulbrand, Verachtung, Massenmörder, Kriegsverbrecher, Folter, Streubomben, Elend, Demütigung, Tod, Massenhypnose.“

Gemünzt sind diese Worte in allen Fällen auf die USA, die Pinter wegen dem Irak-Krieg und auch der Außenpolitik seit dem Ende des 2. Weltkriegs angreift. Für eine Nobelpreisrede anscheinend starker Tobak, so dass der Spiegel von einem Eklat spricht.

Pinter: „Die Verbrechen der Vereinigten Staaten waren systematisch, konstant, infam, unbarmherzig, aber nur sehr wenige Menschen haben wirklich darüber gesprochen. Das muss man Amerika lassen. Es hat weltweit eine ziemlich kühl operierende Machtmanipulation betrieben, und sich dabei als Streiter für das universelle Gute gebärdet. Ein glänzender, sogar geistreicher, äußerst erfolgreicher Hypnoseakt. […] Sie haben sogar ein kleines, blökendes Lämmchen, das ihnen an einer Leine hinterher trottelt, das erbärmliche und abgeschlaffte Großbritannien.“

Die Machtmanipulation erläutert er in seiner Rede ausführlich am Beispiel der Einmischung der USA in Nicaragua.

„Die Vereinigten Staaten unterstützten die brutale Somoza-Diktatur in Nicaragua über 40 Jahre. Angeführt von den Sandinisten, stürzte das nicaraguanische Volk 1979 dieses Regime, ein atemberaubender Volksaufstand. […] Die Vereinigten Staaten stürzten schließlich die sandinistische Regierung. Es kostete einige Jahre und beträchtliche Widerstandskraft, doch gnadenlose ökonomische Schikanen und 30.000 Tote untergruben am Ende den Elan des nicaraguanischen Volkes.“

Pinter war offenbar dabei: er berichtet von einem Treffen in der amerikanischen Botschaft in London Ende der 80er Jahre, bei dem es darum ging, ob der amerikanische Kongress die Contras im Kampf gegen die sandinistische Regierung mit mehr Geld unterstützt. Er sprach dabei für Nicaragua – hat aber offensichtlich nichts genutzt, USA zahlte.

Ein erfrischendes Erlebnis, einmal eine Dankesrede zu erleben, die Aufmerksamkeit erregt. Stichworte wie Ronald Reagan, Daniel Ortega, Iran-Contra-Affäre, die ich noch aus meiner Jugend kenne, aber deren Zusammenhänge mir damals mehr oder weniger entgangen sind, werde ich jetzt wohl mal nachrecherchieren.

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